Elfenbein, Belletristik, Hatto (Deutsch, Egon Bondy, 2007)

Wie Egon Bondy selbst ist auch seine Figur im Roman "Hatto" - ein sächsischer Mönch zu Beginn des zehnten Jahrhunderts - ein Aussenseiter: Er möchte nicht daran gehindert werden, anders zu denken, als es die Kirchenväter vorschreiben. Mit der ketzerischen Frage "Warum gibt es Gott?" verlässt er die hölzernen Palisaden seines Klosters und begibt sich in eine Welt, deren alte Gewissheiten zu wanken beginnen. Ludwig der Kind, der letzte Karolinger im ostfränkischen Reich, ist gestorben, und die Nachfolge ist ungewiss. In Rouen wird ein Wikinger getauft, um Zugang zum Königreich vor den Toren Konstantinopels zu erhalten. Die Bulgaren und die Mauren drängen auf Italien, und Italien steht unter Belagerung. Italien und die ewige Stadt Rom, wo leider nicht die Päpste herrschen, sondern ihre Huren - das Ende der Welt scheint nahe. Hatto besucht die reiche Stadt Mainz und nimmt an der prunkvollen Tafelrunde des Erzbischofs teil. Er reist nach Vineta und Ultima Thule, zum Ende der Welt, zum ewigen Eis. In Briefen an den Abt seines Klosters berichtet Hatto von der Erkenntnis, zu der diese Reise ihn führt. Auf der Grundlage historischer Quellen und detaillierter historischer Bilder, kombiniert mit frei erfundenen Ereignissen, hat Egon Bondy mit "Hatto" einen philosophischen Roman von beeindruckender, sparsamer Schönheit geschaffen. Der Dialog zwischen Atheismus und Theologie, der dem Autor so dringend notwendig erscheint, wird hier aufgegriffen - in der Figur des mittelalterlichen Menschen, der nach Wissen strebt. Auf die Frage eines Journalisten: "Betrachten Sie sich nicht mehr als einen verbissenen Atheisten?", antwortete Egon Bondy 1997: "Seit Jahren schreibe ich darüber, dass traditioneller Atheismus völliger Unsinn ist und dass das Monopol des Atheismus, wie wir es heute erleben, eine Sackgasse des menschlichen Denkens ist. Man muss irgendwie damit aufhören; man muss mit dem Bau von etwas Neuem beginnen.".