Edition Contra-Bass, Sachbücher, Liebesbriefe aus dem brennenden Hamburg 1944 bis 1945 (Deutsch, Hilde Harder, 2015)
13,90 €
Hamburg, 25.10.44 Mein Bernd! Für heute nur ein Lebenszeichen. Wir und die Eltern haben alles heil überstanden. Es war mal wieder eine Nervenprobe, fast 1 Stunden hat allein der Angriff gedauert. Ununterbrochen brummten sie über uns, als wenn es auf der Straße wäre, lediglich einige Teppichwürfe unterbrachen das freundliche Einerlei. Über Barmbek steht ein dicker Pilz, die Gaswerke sind getroffen. Der dicke Segen ist über Hafen, Harburg, Wilhelmsburg runter gegangen. Er hat im Drahtfunk gesagt, der schwerste Angriff, den Hamburg hatte, d.h. die Industrie. Ich habe nicht geglaubt, dass sie nochmal in solchen Massen zu uns kommen. Dein Pummelchen lässt Dich grüßen, er hat heute immer los gelacht, wenn ich ihn hoch hatte. Sieht zu süß aus mit seinem zahnlosen Mund. Innigen Gruß, Herzliebster, und ungezählte Küsse von Deiner Hildegard Ob man wohl noch mal die Zeit und Ruhe haben wird, einen rechten Liebesbrief zu schreiben? Es reicht immer gerade zu den Tatsachen, aber Gefühle sollen wir ja auch nicht mehr haben. Harte Zeiten, harte Herzen! Brrrr, und ich habe solche Sehnsucht! Noch keine Post von Dir seit Sonnabend!! Hamburg, 27.10.44 Mein Liebster! Meinen herzlichen Dank für Deinen Brief vom 22.10., er war recht lange unterwegs. Du schreibst auch, dass Du länger keine Post von mir hast, das liegt nicht an mir, denn alle drei Tage habe ich immer geschrieben, teils auch jeden zweiten. Wenn der Tommy mich auch meistens der Sorge um meine Zeiteinteilung enthebt, so habe ich dafür doch immer die Zeit gefunden. Wir können froh sein, dass wir nicht am Erlenkamp wohnen, beim letzten Angriff hat die Seite drüben wieder tüchtig aus-halten müssen. Ich war gestern bei Dr. Hellmann, aber auf der Seite ist kein Gas, kein Wasser und kein Licht. Da es schon zu schummern begann, konnte er den Ring noch nicht einsetzen, sondern ich muss Dienstag wieder hin. Ich lege Dir den Zeitungsausschnitt mal bei, damit Du siehst, wie sich die Zeiten ändern. Vor einem Jahr noch wurde alles bagatellisiert, und jetzt nähern sie sich schon der Wahrheit (bis auf die Zahlen). Stell Dir vor, eine Woche lang bin ich mal wieder von einem Floh geplagt worden, ohne dass wir seiner habhaft werden konnten. Gestern Morgen beim Bettenmachen sah ich ihn plötzlich hüpfen. Mutti sprang sofort herzu, und ich musste Abstand nehmen. Nach kurzer Jagd wurde er gestellt und musste sein Leben beenden. Der hatte sich aber einen Specknacken bei mir angefressen, man sah es mir allerdings auch an. Sieh man zu, dass Du Dich mit dem berühmten Spieß gut stellst. Jetzt, wo es doch schon empfindlich kühl wird, ist es vielleicht ganz gut, dass Du wieder im Steinhaus bist. Ich bin wirklich sehr gespannt, ob sich für Dich bald etwas entscheidet, oder ob weiterhin alles im Ungewissen verläuft. Ich finde es empörend von Gusti. Son Mann könnte mir im Mondschein begegnen. Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Es wäre mir ganz unmöglich, Dir untreu zu werden, ich brauchte nur unser Buttjelein anzuschaun. 28.10. Wir haben bis nach 2 Uhr im Keller gehockt, da ist es natürlich nachher nichts mehr geworden mit der Schreiberei. Ich möchte den Brief aber gern heute Morgen noch einstecken, weil morgen, Sonntag, alles ruht. Im Augenblick sind wir wieder bei Voralarm angelangt. Lass es Dir gut gehen, mein Purzel, und denk recht viel an Deine Familie. Ungezählte Küsse fliegen zu Dir von Deiner Hildegard.
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