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Am Rande, Belletristik, Krankalla (Deutsch)

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DIEBSTAHL IM SCHNEE"Peter, morgen früh organisieren wir im Wald einen Christbaum. Eine frisch geschlagene Tanne duftet und nadelt nicht so wie eine vom Markt. Kein Wort zu Mama, zu niemand! Das bleibt unser Geheimnis. Verplappere dich nicht! Sonst kommen wir in die Bredouille. Nicht verpennen!"So beschwor Egon Aichenstett einen Tag vor Heiligabend 1957 seinen Nachkömmling zeitig aufzustehen. Zum Dahinschmelzen, von Perlmutt durchtränkt und königsblau wie das Meer, schimmerten unter langen Wimpern die Augen des Fünfjährigen. In Vorfreude auf den Beutezug flatterte er im Zimmer herum. Vater schob das schlechte Gewissen beiseite, das ihm den geplanten Diebstahl madig machte. Solche Anwandlungen hatte er in den Bromberger Wäldern nicht gehabt, wo er mit Gewehr und Dreizack auf der Jagd gewesen war. Als er sich jedoch an seine Tat als Kommandant der Feuerwehrpolizei im Januar 1945 erinnerte, wurde ihm übel. Jedes Mal, wenn er an diese Tat dachte, bäumte sich sein Inneres auf. Berta Aichenstett holte ihr Nesthäkchen täglich mit Engelsgeduld aus dem Schlaf. Dreimal, fünfmal, ein Dutzend Mal rückte sie in verwaschener Kittelschürze an: "Aufstehen! Wie oft soll ich dich wecken?"Die Mutter betrachtete ihren Sonnenschein und lächelte, hin und wieder strahlte sie sogar. Der Junge räkelte sich und döste wieder ein."Aufstehen!", wiederholte sie."Ja, Mama", nuschelte er und schlief wie ein Murmeltier weiter. In aller Herrgottsfrühe kam er nicht in die Socken.Ungemütlich wurde sie nicht. Duldsamkeit prägte das runde Gesicht der kleinen, stämmigen Frau, die auf die fünfzig zuging, schmaler Mund, breite Nase, mausgraue Augen. Volle Wangen milderten ihre von Gram ergrauten Züge. Von Kindesbeinen an stand sie um fünf auf, um die Kühe zu melken. Daran war sie gewöhnt, obwohl sie keine mehr hatten. Ihre silbernen, langen Haare befestigte sie als Dutt am Hinterkopf. Die Haarnadeln ruhten über Nacht in einer Muschel, ein Erinnerungsstück an ihren Vater, der Matrose gewesen war und sie von einer Seefahrt mitgebracht hatte.Sie, ihr Mann und ihr damals elfjähriger Sohn Dieter waren gegen Ende des Krieges in Dregenscheid im Sauerland gestrandet. Herr Aichenstett bekam Arbeit in der Fabrik Leuchterhaus & Co. Nach drei Jahren bezogen die Vertriebenen eine Neubauwohnung der Firma mit Strom, Wasser, Bad und WC. Sie war begeistert und dennoch hin- und hergerissen: "Davon haben wir auf unserem Hof nicht einmal träumen können: Strom, Wasser, Bad, Gasherd und ein Klo in der Wohnung! Trotzdem vermisse ich den Garten und unsere Tiere und das Vogelgezwitscher. Und die Leute der Stadt verachten uns. Warum? Wir haben denen doch nichts getan."Die von Wäldern und Talsperren umrankte Arbeiterstadt war nicht der Nabel der Front und des Gemetzels gewesen. Es hatte unbedeutende Bombenangriffe gegeben, aber zahllose Gefallene und Vermisste. Die Einheimischen duldeten die Flüchtlinge notgedrungen, sahen ihnen jedoch mit Argwohn und Ablehnung auf die Finger. Von den Fassaden der Mietshäuser bröckelte der in die Jahre gekommene Putz. Die dichtgedrängten Behausungen schluckten den Maschinenschweiß der Arbeiter, ihren Hungerlohn und das Geschrei der Kinder. Schmale Straßen. Enge Gassen. Zwei herrschaftliche Kirchen aus vergangener Zeit, Kleinbetriebe und Läden für das Notwendigste. In der Eckkneipe Hulda und in verräucherten Pinten trafen sich Alteingesessene bei Pils und Korn zum Stammtisch. Sie debattierten über alles, was Rang und Namen hatte, über Fußball und das, was in der Stadt geschah.Herr Aichenstett war fünfzig, blass und ausgemergelt, längliches Gesicht, schmale Nase mit zwei Höckern, hohe Stirn, spitzes Kinn. Das weißgraue, gelichtete Haar des schmächtigen Mannes teilte ein messerscharf gezogener Scheitel. Blaugrüne Augen, nach unten gezogene Mundwinkel, dünne blutleere Lippen. Sein Broterwerb forderte keine Führungsqualität, keine Risikobereitschaft. Die Routine am Fließband verwüstete seine Tage, Erschöpfung ruinierte seine Nächte. Er magerte zu einem G.

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